Das hat zum ungeplanten Streckenunterbruch von Montag und Dienstag geführt

Am 30.9. und 1.10.2024 ist es auf dem Streckenabschnitt zwischen Bern und Worblaufen zu einem ungeplanten Unterbruch mit grossen Folgen für unsere Fahrgäste gekommen. Im Interview mit Markus Enzler, Leiter Elektrische Anlagen und Stv. Leiter Infrastruktur beim RBS, zeigen wir auf, was der Grund für die Störungen war und wie sie letztlich behoben werden konnten.

Lieber Markus, fast zwei Tage am Stück eine ungeplant unterbrochene Bahnlinie auf der Hauptschlagader des RBS – zwischen Bern und Worblaufen. Hast du das schon einmal erlebt in deinen zwanzig Jahren beim RBS?

Markus Enzler: Nein, das hat es so noch nie gegeben! Und wir setzen alles daran, dass wir das auch nicht mehr erleben müssen. Unsere Fahrgäste und wir alle haben den Anspruch auf eine pünktliche Reise.

Markus Enzler, Leiter Elektrische Anlagen und Stv. Leiter Infrastruktur beim RBS

Grund für die Störungen waren Probleme mit dem Stellwerk. Bevor wir der Sache näher auf den Grund gehen: Was ist eigentlich ein Stellwerk?

Das Stellwerk ist das Herz des Bahnbetriebs, denn es dient dazu, den sicheren Betrieb von Zügen auf dem Schienennetz zu gewährleisten. Es kontrolliert Signale, Weichen und andere Elemente der Zugsteuerung, so dass die Züge sicher und effizient fahren können. Das Stellwerk im Bahnhof Bern wurde 1965 gebaut, es ist damit das älteste Stellwerk am Streckennetz des RBS. Es handelt sich um ein Relais-Stellwerk des sogenannten Typs «Domino 55» mit Rangierfahrstrassen (Do55m) der Firma Integra (heute Siemens). Bis zur Inbetriebnahme des neuen RBS-Bahnhofs Bern Ende 2029 wird es noch in Betrieb sein und muss im Hinblick auf die Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs teilweise angepasst werden. Aufgrund des dichten Bahnverkehrs müssen grössere Arbeiten nachts, wenn keine Züge fahren, erfolgen. Das Zeitfenster ist klein. Tritt eine Störung auf, ist der Bahnverkehr ab dem frühen morgen beeinträchtigt. So auch in diesem Fall, obwohl aufgrund der bekannten Komplexität die Nachtschichten bereits in der Planung verlängert wurden – daher kam auch der eigentlich geplante Ersatzverkehr am Abend.

Stellwerk

Was genau ist passiert, warum konnten die Züge denn nicht fahren?

Die Arbeiten in den beiden Nächten verliefen weitgehend planmässig. Sowohl am Montag- wie auch am Dienstagmorgen sah es zunächst gut aus, die Fahrten bei Betriebsbeginn verliefen positiv. Erst mit dem dichteren Fahrplan, als zwei Züge kurz hintereinander aus dem Bahnhof Bern Richtung Worblaufen fuhren, traten Probleme auf. Einzelne Signale konnten nicht mehr «auf Fahrt» gestellt werden, was sich dann auch in Blockstörungen zwischen Bern und Bern-Felsenau äusserte.

Du sprichst von Blockstörung. Was muss man sich darunter vorstellen?

Bei der Eisenbahn werden Strecken in Einzelabschnitte und Streckenblöcke aufgeteilt; ein Zug kann nur fahren, wenn der nächste Block frei ist. So werden auf dem Schienennetz Kollisionen verhindert. Beim RBS fahren die Züge – insbesondere auf der Strecke Bern-Worblaufen, auf der alle 90 Sekunden ein Zug unterwegs ist – sehr dicht aufeinander. Wenn eine solche Blockstörung auftritt, wirbelt dies rasch den Fahrplan auf dem gesamten Streckennetz durcheinander.

Was bekanntlich der Fall war …

Genau. An einen fahrplanmässigen Betrieb wäre also unter diesen Umständen nicht zu denken gewesen. Aus diesem Grund war am Montagvormittag ein Bahnersatz erforderlich. Dies ermöglichte es auch, die gezielte Fehlersuche zu intensivieren. Am Mittag waren die Fehlersuche und Anpassungen so weit fortgeschritten, dass die Züge wieder den Betrieb aufnehmen konnten. So fuhren am Montagnachmittag die Züge auf dem ganzen Streckennetz und nach Fahrplan.

Bis es zur zweiten Störung kam.

In der Nacht auf Dienstag stand die zweite verlängerte Nachtsperre an, in der die Fehlersuche fortgesetzt und auch die noch fehlenden Arbeiten realisiert und im Anschluss geprüft wurden. Wie schon am Montag konnten auch am Dienstagmorgen die ersten Zugfahrten problemlos erfolgen. Mit dem dichter werdenden Fahrplan und den aufeinanderfolgenden Zügen stellte sich allerdings erneut das Problem mit dem Streckenblock. Da sich die Fehlersuche nun vermehrt auf den Streckenblock Bern-Bern-Felsenau beschränkte, war auch im Stellwerk Worblaufen technisches Personal erforderlich, d.h. es mussten viele Mitarbeitende eingesetzt werden, um das Problem zu beheben.

Ausfall Zug

Warum hat es denn so lange gedauert, bis der Fehler gefunden wurde? Offenbar konnte einigermassen rasch eingegrenzt werden, wo das Problem ist.

Unser Stellwerk in Bern besteht aus unzähligen Relais, die untereinander verbunden sind. Alle diese Relais müssen optimal miteinander funktionieren, damit keine Störung auftritt. Es war in diesem Fall wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Am Ende hat sich gezeigt, dass ein Relaissatz zu langsam arbeitete und somit der zeitliche Ablauf in der Fahrstrasseneinstellung bzw. der Blockanmeldung gestört wurde. Dies konnte erst mit Hilfe von synchron erstellten Videoaufzeichnungen an verschiedenen Anlageteilen festgestellt werden.

Für die Fehlersuche mussten während der ganzen Zeit Testfahrten mit zwei Zügen durchgeführt werden. Dadurch entstand vielleicht auch der Anschein, dass die Bahn funktioniert. Nur war dem nicht so. Gewisse Konstellationen liessen sich jedoch nicht anders als mit einem «Schattenbetrieb» herstellen.

Im Laufe der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch konnte der Fehler dann endlich gefunden werden. Es wurden wo nötig Teile ausgetauscht und anschliessend Tests hochgefahren. Am Mittwochmorgen um 4.30 Uhr konnte definitiv das «OK» für die Betriebsaufnahme erteilt werden. Die für den «Worst Case» bereits vorgewarnten Kundenlenker:innen sowie das Fahrpersonal Bus mussten somit glücklicherweise nicht erneut aufgeboten werden.

Relais-Raum

Die Erleichterung dürfte spürbar gewesen sein. 

Dazu eine kleine Anekdote: Ich durfte am Mittwochmorgen die in Bern vorhandenen Absperrbänder zum RBS-Bahnhof entfernen, was in der Videoüberwachung auf der Betriebsleitstelle in Worblaufen sichtbar war. Und von dort kam dann prompt die Frage, ob ich jetzt den Bahnhof Bern offiziell eröffnen würde!

Das dürften schwierige Stunden gewesen sein während der Fehlersuche unter Hochdruck zu arbeiten im Wissen darum, dass tausende Fahrgäste nicht wie gewohnt reisen konnten. Wie hast du das erlebt?

Damit der Fehler gefunden werden konnte, war sehr viel intensive Arbeit erforderlich. Es sind nicht Leistungen von Einzelpersonen, welche an dieser Stelle zu würdigen sind. Für die Bewältigung der Störung war ein ganz beachtlicher Stab an Personal im Einsatz. Für die Fehlersuche im Stellwerk brauchte es die Unterstützung der Abteilung Produktion – sei es für das Durchführen der Testfahrten aber auch für Rückmeldungen und Bedienungen ab der Betriebsleitzentrale. Es standen von Seite Technik zudem ausgewiesene und langjährige Experten auf dem Gebiet der Relaisstellwerke der Firma Stadler im Einsatz. Es brauchte auch weitere Teams, so mussten beispielsweise die laufenden Baustellen plötzlich neben den spontan notwendigen Testfahrten durchorgansiert und koordiniert werden. Kundenlenker:innen musste sich den teilweise auch kritischen Äusserungen von – verständlicherweise – verärgerten Fahrgästen stellen und dabei gefasst reagieren. Und es brauchte ganz viele Busse und Fahrer:innen, um den Ersatzverkehr zu gewährleisten. Dabei konnten wir auch auf befreundete Transportunternehmen aus der Region zählen.


Mein herzlicher Dank richte ich an alle, welche in irgendeiner Weise zur Bewältigung der Störung beigetragen haben. Dank der guten internen Zusammenarbeit konnten wir am Mittwoch wieder wie gewohnt fahren und unsere Fahrgäste damit wieder pünktlich reisen.

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