Deshalb braucht es den Ersatzfahrplan – Interview mit Oberbauleiter Mario Sterchi

Von Samstag, 15. Juni, bis Sonntag, 6. Oktober 2024, können die Züge des RBS zwischen Felsenau und Bern aufgrund von Bauarbeiten nur einspurig fahren. Es gilt ein Ersatzfahrplan. Die Bauarbeiten sind für die Erschliessung des neuen RBS-Bahnhofs Bern zwingend erforderlich. Im Interview erklärt Mario Sterchi, Oberbauleiter RBS, die Hintergründe dieser anspruchsvollen und zukunftsträchtigen Bauarbeiten.

Mario Sterchi, welche Bauarbeiten werden auf der Baustelle durchgeführt?
Während des Einspurbetriebs werden zwei Baustellen nebeneinander betrieben. Einerseits wird der bestehende Schanzentunnel, also der heutige Zufahrtstunnel in den Bahnhof Bern, zwischen der Baugrube Hirschenpark und dem Portal Tiefenaustrasse in der zweiten Etappe fertig instand gestellt. Daneben werden in der Baugrube Hirschenpark Bodenplatten gelegt und die Wände für den später lückenschliessenden Tagbautunnel erstellt. Tagbautunnel bedeutet dabei, dass der Tunnel nicht aus dem Untergrund ausgebrochen, sondern in der Baugrube betoniert wird.

Grafik Bauarbeiten während Einspurbetrieb (Luftbild: Sam Bosshard)

Warum haben die Bauarbeiten Einfluss auf den Bahnbetrieb?

Die Bauteile, welche am Übergang zwischen der alten und neuen Linienführung erstellt werden, kommen teilweise unterhalb der bestehenden Gleisanlage oder in unmittelbarer Nähe dazu zu liegen. Effizientes Arbeiten und die grösstmögliche Sicherheit für alle Beteiligten sind nur gewährleistet, wenn ein Gleis ausser Betrieb genommen werden kann. Somit müssen alle ein- und ausfahrende Züge auf dem einen verbleibenden Gleis verkehren und können zwischen Bern und Felsenau nicht kreuzen. Daher ist der Ersatzfahrplan notwendig.

Der Einspurbetrieb und die damit verbundenen Fahrplaneinschränkungen dauern vier Monate. Wäre die Realisierung dieser Bauarbeiten nicht in kürzerer Zeit möglich gewesen?

Wir haben diesen Bauschritt über ein Jahr minutiös geplant, und am Ende wurde klar, wie lange die Einschränkungen dauern müssen. Diese finale Planung hat gezeigt, dass nur minime Reserven vorhanden sind. Eine kürzere Bauzeit wäre einzig durch permanentes Rund-um-die-Uhr-Arbeiten oder durch eine Totalsperre möglich. Diese beiden Varianten bringen wirtschaftlich, betrieblich und bezüglich Emissionen aber entscheidende Nachteile mit sich. Dazu kommt: Unmittelbar an die Baustelle angrenzend liegen viele Wohnhäuser und uns ist es ein grosses Anliegen, die Auswirkungen der Bauarbeiten für die Anwohnenden so klein wie möglich zu halten.

Auf welche Einschränkungen durch die Bauarbeiten müssen sich die Anwohnenden denn konkret einstellen und welche Massnahmen wurden ergriffen, um die Auswirkungen auf die Anwohnerschaft möglichst gering zu halten?

In den täglichen Abläufen der Anwohnenden ergeben sich durch die Bauphase diesen Sommer keine zusätzlichen Einschränkungen im Vergleich zum sonstigen Alltag neben der Baustelle. Hingegen werden vermehrt Arbeiten in der Nacht und abends ausgeführt werden müssen. Diese werden nach Möglichkeit so organisiert, dass sie über einen konzentrierten Zeitraum in wenigen Nächten ausgeführt und zu vermeidende Lärmemissionen vorbereitend tags erledigt werden. Ganz ohne Lärm und Staub lassen sich aber leider keine Bauarbeiten durchführen.

Haben Sie bereits ähnliche Bauarbeiten geleitet, welche solch grossen Auswirkungen auf den Bahnbetrieb mit sich bringen?

Bereits vor einem Jahr war ich für die Bauarbeiten im Rahmen der damaligen Totalsperre und dem ersten erforderlichen Einspurbetrieb zuständig. Der RBS als Ganzes kann auf langjährige Erfahrung im Umgang mit Baustellen auf dem Liniennetz und deren Auswirkungen zurückgreifen. Bei einem solchen Projekt sind Menschen aus den verschiedenen Fachbereichen des Unternehmens, des Bahnbetriebs und seitens Infrastruktur involviert, die allesamt sicherstellen, dass ein solcher baulicher Eingriff bahnbetrieblich erfolgreich geplant und ausgeführt werden kann und dass die Auswirkungen für die Fahrgäste so gering als irgendwie möglich ausfallen.

Welche Herausforderungen sehen Sie persönlich beim Ablauf dieser Arbeiten und bei der Sicherstellung des Bahnbetriebs?

Der Abschnitt zwischen Bern und Worblaufen ist einer der am dichtesten befahrenen Bahnabschnitte der Schweiz, zeitweise fährt hier ca. bis zu alle 90 Sekunden ein Zug durch die Baustelle. Die Erfahrung aus dem letzten Jahr zeigt, dass bei dieser Dichte an Fahrten und nur einem zur Verfügung stehenden Gleis wenig Reserven zur Einhaltung des eingeschränkten Fahrplans vorhanden sind und bereits kleinste Störungen spürbare Auswirkungen haben können. Der RBS setzt alles daran, dies so weit als möglich zu verhindern. Für die Sicherheit der Fahrgäste im Zug werden die Bauarbeiten entlang dem Gleis von Sicherheitspersonal und die Lage des Betriebsgleises von automatischen Messsystemen überwacht.

Was ist das für Sie eigentlich für ein Gefühl, wenn Sie selbst in einem RBS-Zug sitzen und im Schanzentunnel die Baustelle im Hirschenpark durch das Fenster sehen?

Mir gehen manchmal Geschichten aus den letzten sieben Baujahren durch den Kopf oder ich versuche einen kurzen Blick auf etwas zu erhaschen, was sich gerade im Bau befindet. Gefühlsmässig begleitet mich in erster Linie eine grosse Zufriedenheit bezüglich der Leistung aller am Bau beteiligten Menschen und Freude, wenn ich sehe und höre, wie andere Fahrgäste die Baustelle wahrnehmen und untereinander darüber erzählen.

Mario Sterchi ist Bauingenieur FH, 48 Jahre alt und in der Region Bern aufgewachsen und wohnhaft. Seit 2017 verantwortet er als Projekt- und Oberbauleiter des RBS die Bauarbeiten für den neuen Zufahrtstunnel ab dem Hirschenpark. Schwerpunkte dabei sind und waren die Erstellung der dortigen Baugrube, der Bau des künftigen Zufahrtstunnels sowie die Instandstellung des verbleibenden Schanzentunnelabschnittes.

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