Gemeinschaftsgefühl, Deeskalation und Tränengas
Ich bin Mitglied der RBS-Moonliner-Gruppe. Wir fahren die Moonliner-Linien M1 (Bern – Zollikofen – Münchenbuchsee), M2 (Bern – Breitenrain – Ittigen – Bolligen – Boll-Utzigen) und M10 (Bern – Lyss –Aarberg – Biel/Bienne). Für die Moonliner-Gruppe melden wir uns freiwillig. Wer dabei ist, ist nicht im normalen Schichtenturnus. Wir bekommen für das Jahr unseren Moonliner-Turnus und alles andere wird darum gebastelt. Wir wissen dann ca. einen Monat vorher, wie wir eingeteilt sind. Meine Frau arbeitet als Krankenschwester ebenfalls im Schichtdienst. Da können wir uns ganz gut organisieren. In Deutschland hatte ich ganz andere Bedingungen. Wenn ich als Fernfahrer Sonntagabends losfuhr, wusste ich oft nicht, wann ich in der nächsten Woche wieder zu Hause sein würde.
Deeskalation
Die Silvesternacht ist jedes Mal speziell. Einfach weil so viele Menschen unterwegs sind. Und die meisten sind auch nicht mehr ganz nüchtern. Dieses Mal war Silvester aber sehr ruhig. Da habe ich schon ganz andere Jahre erlebt. Es gab wenig Sturzbetrunkene, dafür insgesamt sehr viele Fahrgäste. Wichtig ist in jeder Nacht: Wenn du vorne sitzt und die Tickets verkaufst und du bist dabei unsicher, dann merken die Leute das. Wenn dann jemand auf Streit aus ist, kann es Probleme geben. Wir werden vom RBS speziell in Deeskalation geschult. Wir sind also gut vorbereitet. Und dann musst du auch eine gewisse Ausstrahlung haben. Denn vorne an der Kasse muss alles gesittet zugehen. Wir müssen so viel kassieren und dabei darauf achten, nicht zu viel Verspätung zu bekommen, da haben wir keine Zeit für einen Streit. Ich handhabe das ziemlich unaufgeregt. Wenn mich jemand beleidigt, dann muss er raus. Wir lassen grundsätzlich nur eine Seite der Tür auf, so dass jeder einzeln an die Kasse kommt. Oft gibt es auch Gruppen, die sich nicht einig sind, wo sie hinfahren wollen und dann kann das dauern. So kann es sein, dass wir am Bahnhof Bern bereits mit 30 Minuten Verspätung losfahren.
Gemeinschaftsgefühl
In Bern haben wir Security und den Platzchef direkt vor Ort. Die unterstützen uns, wenn etwas ist. Allerdings ist der Grossteil aller Leute sehr höflich und freundlich und einfach dankbar dafür, dass wir sie so spät noch nach Hause fahren. Wenn wir dann aber in die Nacht hinaus fahren, sind wir auf uns alleine gestellt. Die Betriebsleitstelle in Worblaufen ist bis 01.00 Uhr besetzt und wir fangen um 01.15 Uhr an. Also funken wir untereinander zwischen den RBS- und BSU-Moonlinern und sprechen uns ab und helfen uns gegenseitig. Das schätze ich auch so an der Moonliner-Gruppe: Wir helfen uns untereinander und sind eine richtige Gemeinschaft. An Silvester ist es Tradition, dass wir nach dem Dienst noch gemeinsam essen. Die Funktion der Betriebsleitstelle übernimmt in der Nacht der Platzchef. Er steht am Bahnhof Bern und koordiniert alle Fahrten. Er hält Kontakt mit den Fahrern, und stimmt die Umsteiger ab, wenn jemand verspätet ist. Ausserdem spricht er mit der SBB, denn wir warten jeweils den letzten Zug ab. Er hat sogar einen Reservebus und muss dann einspringen, falls jemand krank wird.
100 km nach Biel
Ich fahre jede unserer Routen gerne. Spannend ist der M10 nach Biel, weil wir so auch mal eine ganz andere Strecke fahren können. M1 und M2 fahren ja grösstenteils unseren RBS-Busrouten nach. Nach Biel und zuzrück sind es fast 100 km Strecke und wenn wir dort ankommen am Bahnhof sind wir wirklich komplett allein. Allerdings ändert sich das, wenn wir weiterfahren Richtung Kongresshaus, wo die ganzen Clubs sind. Dort ist die Strasse abgesperrt und die Türsteher machen uns jeweils den Weg frei. Wir schlängeln uns dann ganz langsam durch die Feiernden durch. Aber die Fahrt ist sehr ruhig, es gibt auch ein Stück Autobahn dabei. Da schläft dann der Grossteil im Bus. Glücklicherweise schlafe ich auch tagsüber ohne Probleme und habe beim Fahren und an den Haltestellen immer so viel zu tun, dass ich gar keine Zeit habe, müde zu werden.
Eingeschlafene, Abfall und Tränengas im Bus
In der Nacht kann alles passieren. Im letzten Sommer standen auf der Strasse bei einer Demo vor der Reitschule brennende Barrikaden. Da wurden wir von der Polizei umgelenkt. Und gerade als ich am Bollwerk um die Ecke fuhr, setzte die Polizei Tränengas ein. Wegen der Hitze hatte ich den ganzen Bus geöffnet. Da wurden wir richtig eingenebelt und der ganze Bus war voll Tränengas. Wenn Zeit bleibt, gehe ich am Ende von jeder Tour einmal durch den Bus und schaue, was liegen geblieben ist. Das reicht von Bierbüchsen über halbgegessene Burger bis zu eingeschlafenen Passagieren. Wir sammeln dann alles ein. Denn wenn einmal etwas im Bus liegen bleibt nach der ersten Runde, kommt enorm schnell mehr dazu. Leider verleitet das dazu, den eigenen Abfall auch liegen zu lassen. Wenn es also irgendwie geht, sammle ich an der Endhaltestelle alles ein. Natürlich wecken wir auch die eingeschlafenen Fahrgäste. Manchmal sind sie dann zu weit gefahren und fahren dann wieder ein Stück mit zurück. Einmal hatte ich auf der letzten Tour ein junges Mädchen im Bus. Sie hätte eigentlich an der Papiermühle aussteigen müssen, ist aber eingeschlafen und ich weckte sie am Endhalt in Boll-Utzigen. Das war im September und es war schon recht kühl und sie trotzdem recht kurz bekleidet. Sie ist dann raus und ich sah noch, wie sie sich am Bahnhof auf die Bank legte. Also bin ich hin und habe ihr angeboten, sie noch mit zurückzunehmen. Auf dem Weg ins Depot fahre ich ja sowieso an der Papiermühle vorbei. Eigentlich ist die Fahrt zurück eine Dienstfahrt und wir dürfen niemanden mitnehmen. Aber es wird jeder verstehen, dass ich sie so nicht da lassen konnte. Sie war sehr froh und erleichtert.
Aufgezeichnet von Caspar Lösche
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