Im Rückspiegel eines Lokführers: Emotionen an der Perronkante

Türen auf, Menschen raus, Menschen rein, Türen zu. Nächste Station. Das Bild wiederholt sich, immer und immer wieder, morgens, mittags, abends, gestern, heute, morgen. An der Perronkante pulsiert das Leben. Die einen kommen, die anderen gehen. Manche bleiben und schauen dem Zug nach. Eben haben sie noch Tschüss gesagt. Abfahrten bedeuten auch Abschied, umgekehrt führen Ankünfte zu Wiedersehen.

Häb Sorg!

Seit ich als Lokführer beim RBS tätig bin, habe ich schon hunderte solcher Szenen im Rückspiegel beobachtet. Immer wieder spannend ist die Art und Weise, wie sich Menschen verabschieden, beziehungsweise willkommen heissen. Von nüchtern bis intim wird die ganze Bandbreite abgedeckt. Da gibt es jene, die einfach nur Tschüss sagen und gehen, noch bevor sich der Zug in Bewegung gesetzt hat. Andere laufen mit, spurten sogar, um den Blickkontakt bis zur allerletzten Möglichkeit aufrecht zu erhalten. Wieder andere winken, als ob die angesprochene Person hunderte von Metern entfernt wäre. Häufig wird dazu noch etwas gerufen «Häb Sorg!»oder «Chum guet hei!». Und dann sind da noch die bis über beide Ohren Verliebten. Eng umschlungen bleiben sie stehen, halb im Zug, halb auf dem Perron, küssen sich, küssen sich nochmals und nochmals und obwohl sie manchmal die Türen blockieren, verstehe ich sie, denn einer der Küsse wird vorerst der letzte gewesen sein.