«Ofenmandarinli»: Heizen in der Übergangszeit_2
Nicht nur im Sommer - auch im Herbst und im Frühjahr kann es heiss werden in den mittlerweile 40-jährigen Mandarinlis. Denn auch die Heiztechnik, die in den Zügen drinsteckt, ist 40-jährig. Wir sprechen mit Erwin Läderach, dem Leiter des Depots Worblaufen, wo der Grossteil der Mandarinli abgestellt und regelmässig gewartet wird:
Ich bin bereits seit 1979 beim RBS und viel länger sind die Mandarinli auch nicht da. Ich habe als Mechaniker damals noch viel selber an den Fahrzeugen gearbeitet und Probleme mit der Innentemperatur gab es damals schon. Vor einigen Jahren haben wir neuere Raumthermostate eingesetzt, aber eine Totalsanierung der Heizung, damit auch während der Übergangszeit optimale Temperaturen herrschen, haben wir nicht vorgenommen. Der Aufwand ist einfach viel zu gross: Die gesamte Innenausrüstung der Fahrzeuge müsste herausgenommen werden, neue Kabel gezogen und die ganze Elektronik neu gemacht werden. Die Kosten für so etwas wären enorm!
Ob die @RBS_ch wohl was dagegen hätte, wenn ich nur im Handtuch in den Zug steige? Schliesslich gibt's morgens gratis Sauna
— Stefanie (@Eyedraw) 9. Februar 2015
Doch: Der Anspruch an den Reisekomfort ist in den letzten Jahren stetig gestiegen und das ist auch richtig. Wir wissen, die Mandarinli genügen unseren Komfortansprüchen nicht mehr. Das ist leider der Haken daran, dass die Fahrzeuge so lange im Einsatz sein können und aus Kostengründen auch sollen!
Ich freue mich darum umso mehr, dass ich in wenigen Jahren noch die neuen Fahrzeuge in Empfang nehmen kann, bevor ich dann in Pension gehe (Mehr zur Beschaffung: http://www.rbs.ch/blog/kategorie/Mandarinli-Ersatz).
Wie funktioniert die Heizung in den Mandarinli?
Bei jeder Tür hat es ein eigenes Heizaggregat, das Warmluft hineinbläst. Weiter gibt es die Konvektionsheizung unten an den Sitzen. Die können sehr heiss werden (weshalb z.B. auch in den Mandarinli keine Plastiksäckli als Abfallkübelersatz angebracht werden können: http://www.rbs.ch/blog/wir-sollten-uns-trennen). Es gibt für die Schalter, welche die Temperatur regeln, eigentlich nur drei Einstellungen: heizen, stark heizen unter Einbezug der Konvektionsheizung oder gar nicht heizen.
S7 jetzt ab Bern, hinterster Wagen... Backofen ist leicht untertrieben, hier wird man in kürzester Zeit geröstet... @RBS_ch
— Romy (@romy_bluerouse) 29. März 2016
Jetzt, in der Übergangszeit kann man die Problematik oft beobachten: Ein Mandarinli steht nachts in Worblaufen auf dem Gleisvorfeld oder in der Halle, wo es auch nicht viel wärmer ist als draussen. Wenn der Lokführer seinen Dienst beginnt, bereitet er das Fahrzeug vor. Er startet die Technik hoch, auch die Heizung. Die Thermostate erkennen die kalte Umgebungstemperatur und heizen auf Höchststufe hoch. Jetzt ist das Fahrzeug schon im Einsatz und die Morgenspitze beginnt. Viele Fahrgäste steigen ein und das Mandarinli wird zum Backofen. Die Thermostate erkennen das und fahren die Heizung wieder runter. Aber leider ist das System so träge, dass die Morgenspitze bereits vorbei ist, bevor das Fahrzeug wieder abgekühlt ist.
Wieso dauert es so lange, bis die Relais reagieren?
Das ist leider einfach eine alte Technik – vergleichbar etwa mit den Röhrenradios. Das ganze System wird über Thermostate gesteuert. An jeder Tür wird separat gesteuert und geregelt. Jeder Thermostat hat eine Temperaturspannbreite während der er heizt, wenn diese überschritten ist, dann schaltet er wieder ab. Dies wird über ein Bimetall gesteuert und lässt sich deshalb nicht fein einstellen. Wenn sie eine Weile geheizt haben, dann dauert es auch einen ganzen Moment bis sie abgekühlt sind.
Könnte eine Lüftung nicht mehr kalte Luft hereinlassen?
Oben in der Dachverkleidung der Fahrzeuge sind Klappen eingebaut, die wir immer auf den Winter hin umschalten. Es gibt also einen Winterbetrieb und einen Sommerbetrieb.
Im Sommer wird mehr Luft reingelassen, so dass die heisse Luft oben austreten kann. Im Winter werden die Klappen geschlossen, so bleibt mehr warme Luft im Fahrzeug. Wann genau wir hier umstellen, ist eine Wissenschaft für sich. Momentan werden die Klappen im Herbst geschlossen, wenn die Morgentemperaturen unter 10 Grad fallen. Aber auch dann kann es immer mal wieder wärmer werden.
Das ist auch schon alles, was wir einstellen können. Auch der Lokführer hat keinen Einfluss auf die Temperatur. Alles, was er machen kann ist, die Heizung bei der entsprechenden Tür ausschalten, sollte es wegen eines Defekst allzu heiss werden in einem Fahrzeug. Ob es wirklich zu heiss ist im Fahrzeug, erfährt er aber nur, wenn ihm jemand Bescheid gibt. Der Lokführer hat keinen direkten Einfluss aufs Heizen oder Kühlen in den Mandarinli – und übrigens auch in den moderneren Secondas und im NExT nicht.
@RBS_ch Dachte immer, dies hätte der Fahrer im Griff. Bin etwas enttäuscht. Habe mir den immer als kleinen Sadisten vorgestellt. Hihi :-)
— Budy Spence (@budyspence) 8. Oktober 2014
Das Fenster-Paradox
Was noch erschwerend dazu kommt, sind die Klappfenster. Ist es am Morgen in einem Mandarinli sehr heiss, öffenen die Fahrgäste oft die Fenster. Das ist eine sehr verständliche Reaktion. Leider zieht die Luft so aber direkt auf den Thermostat neben der Fahrertür und kühlt ihn ab, wodurch er natürlich noch weiter heizt. Ein Teufelskreis – die Steuerung reagiert direkt auf die offenen Fenster. Mit dem Öffnen der Fenster verschafft man sich also eine kurze Abkühlung und lässt leider die Fahrgäste nach sich schwitzen.
Was bringen die Regler neben den Fahrertüren?
Wir hatten über die Regler im Innenraum eine sehr lange interne Diskussion, bis wir sie vor einigen Jahren ganz abgestellt haben. Denn über diese lässt sich die Temperatur um drei bis vier Grad verstellen. Da die Heizung aber so träge reagiert, bemerkt ein Fahrgast, der vielleicht zu kalt hat, die Auswirkungen bei unsere kurzen Fahrtzeiten gar nicht, wenn er am Regler dreht. Und da jeder ein anderes Temperaturempfinden hat, wurde natürlich immer hin und her gestellt, was sich aber eben erst mittelfristig auswirkt.
In den Mittelwagen ist die Heizungssteuerung schon sehr viel moderner. Die läuft elektronisch und damit kann man sie feiner einstellen und sie reagiert nicht so träge. Also als Tipp für unsere Leser: Im Mittelwagen ist die Temperatur meistens ausgeglichener.
Offenbar hat die S7 8:45 ab Bern schon tiefen Winter oder weshalb ist die Heizung sonst voll offen? @RBS_ch
— Urs Müller (@Jackobli) 16. September 2015
Etwas konnten wir ausserdem im letztem Jahr «verbessern»: Wir haben im Sommer die Sicherungen herausgenommen. Das sind die so genannten Heizsicherungen (1200 Volt), also Starkstromsicherungen. Damit haben wir die Heizung komplett ausgeschaltet. Gibt es also im Sommer einmal eine sehr kühle Nacht, dann würde das System ja eigentlich am Morgen heizen. Dieses Aufheizen haben wir nun verhindert. Das hat sich auf jeden Fall bewährt.