Vom Blauen Bähnli bis zum Blauen Tram: Eine Ära geht zu Ende

Mit dem «Blauen Bähnli» geht eine fast 100-jährige Tradition zu Ende. Der charakteristische blaue Anstrich hat das RBS-Netz seit Jahrzehnten geprägt und ist vielen Fahrgästen ans Herz gewachsen. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass das Bähnli blau wurde? Hier ein Rückblick auf die Geschichte des Kult-Trams, das uns noch bis zum Fahrplanwechsel 2024 begleiten wird.

Blau: Eine Farbe mit Tradition

Blau-weisse Strassenbahnen gibt es in der Schweiz schon seit den frühen Tagen des öffentlichen Verkehrs. Die ersten blauen Tramwagen wurden 1898/99 in Zürich eingeführt und im Laufe der Jahrzehnte wurde Blau zur meistgenutzten Farbe bei Schweizer Schmalspur- und Trambahnen. Der Beginn der Ära unseres «Blauen Bähnli» geht zurück auf das Jahr 1930 und die Vereinigten Bern-Worb-Bahnen (VBW). Damals erhielt der VBW-Triebwagen eine auffällige hellblau-weisse Lackierung – ein grosser Unterschied zum bisherigen Einheitsgrau, das von den Vorgängerbahnen BWB und WT übernommen worden war. An Ostern 1930 ging der neue Triebwagen in Betrieb. Dieser erste Anstrich wurde bald auf das übrige Rollmaterial ausgeweitet: Die Werkstatt in Worb lackierten auch die älteren Fahrzeuge hellblau und weiss, um dem Zugverkehr ein einheitliches Erscheinungsbild zu verleihen. Bis 1932 war das gesamte, im Personenverkehr eingesetzte Rollmaterial farblich angepasst. Der hellblau/weisse Anstrich brachte den Zügen den Namen «Edelweiss-Express» ein. Grau blieben nur die Gütertriebfahrzeuge sowie die Güterwagen und Rollschemel.

Mit diesem Triebwagen begann die hellblau/weisse Epoche: Der CFe 4/4 41 im Frühling 1930 kurz vor der Ablieferung beim Hersteller SIG in Neuhausen. (Foto: SIG)

Dunkelblau wird zum Markenzeichen

1944 starteten die VBW mit der Modernisierung des Rollmaterials, so dass die Fahrzeuge 1946 einen dunkelblau-weissen Anstrich erhielten. Um 1961 war die Farbänderung abgeschlossen. Als letzte blau/weisse Fahrzeuge kamen von 1971–1973 zehn in Deutschland gekaufte Occasion-Tramwagen in den Bestand. Von 1973–1981 fanden zehn alte Personenwagen mit offenen Plattformen in Österreich, vier in Deutschland und einer sogar in Norwegen eine neue Heimat. Dort verloren sie aber rasch den blau/weissen Anstrich.

Eine der ältesten Farbaufnahmen zeigt einen Rangiertriebwagen der Kartonfabrik Deisswil, die Güterlokomotive Ge 4/4 60, den CFe 4/4 37 sowie den Ce 4/4 41 im Frühling 1951 in Deisswil.(Sammlung: RBS)

«Dr schnällscht Wäg nach Worb»

Doch wie wurde das «Blaue Bähnli» eigentlich so bekannt? Dank der 1974 erfolgten Wiederentdeckung des 1954 über den Äther gegangene Radiosketches «Dr schnällscht Wäg nach Worb», gibt es seither in der Schweiz nur noch ein Blaues «Bahnli», nämlich das «Worb-Bähnli». Seit der Berner Lehrer und Kabarettist Ernst Mischler beim Zytglogge dem deutschen Karl Steuer mangels einer Omnibusverbindung den schnellsten Weg nach Worb zu erklären versucht hat, ist das Worb-Bähnli in der ganzen Schweiz Kult. 

2017 publizierte der Gümliger Marcel Dietler sogar eine Neuauflage: «Dr schnäuscht Wäg nach Worb» - Fortsetzung | RBS.ch

Lebensabend auf der Murilinie

Am 26. Mai 1974 stellte die VBW die Züge auf der Worblentallinie auf die neuen, orangefarbenen «Mandarinli»-Triebzüge um. Die alten, blau-weissen Trieb-, Zwischen- und Steuerwagen, die für Pendelzüge geeignet waren, wurden auf die Linie G (Worb–Bern Kirchenfeld) versetzt, wo sie bis Ende 1987 weiterfuhren. Danach wurden einige der blau-weissen Züge ausrangiert. Sechs Triebwagen gingen an die Montreux–Oberland bernois-Bahn (MOB), wo vier davon im blau-weissen MOB-Design lackiert wurden. Bis ins Jahr 2000 wurden aber bis auf zwei alle diese Fahrzeuge abgebrochen.

Mehr zur Geschichte des RBS gibt es auch hier: Der RBS im Wandel der Zeit | RBS.ch

Eine Zugkomposition erhielt beim RBS noch eine letzte Gnadenfrist: Der neueste Triebwagen 74 von 1961 und drei Steuerwagen wurden 1987–1990 für den Einsatz im Bolliger Linienbetrieb umgebaut. Als drei- und später vierteiliger Pendelzug blieb diese Komposition bis 1997 im Einsatz. Danach wechselte der Triebwagen zur Meiringen–Innertkirchen-Bahn, wo er 2007 dem Abbruch verfiel. Die Steuerwagen wurden bereits 1998 ausrangiert. So verschwanden die letzten «Blauen Bähnli» vorerst aus dem RBS-Netz. 

Die Fahrgäste bestimmten die Farbe der Trams

Ende 1987 lösten sieben Gelenktrams vom Zürcher Typ «Tram 2000» die alten blau/weissen Bähnli ab. Zwei weitere folgten bis im März 1988. Sie fuhren zuerst nach Bern Kirchenfeld (ab 1988 Helvetiaplatz), ab dem 18. April 1997 bis Bern Zytglogge und mit der Übernahme der Betriebsführung durch Bernmobil ab dem 12. Dezember 2010 auf der neuen Linie 6 bis ins Fischermätteli. Passend zu dem Vorgänger und inspiriert durch eine Umfrage bei Fahrgästen, bei der sich damals 58 Prozent der Teilnehmenden für eine blaue Lackierung mit weissen und roten Akzenten aussprachen, gab es einen dunkelblau/weissen Anstrich mit einer roten Zierlinie unterhalb der Fenster. Ein Farbschema, das zu einem echten Klassiker wurde. Während der EURO 08 trug sogar eines der Fahrzeuge den Schriftzug «Allez les Bleus!», um den europäischen Fussball-Event auf ganz besondere Weise zu feiern. 

Allez les Bleus! Das Blaue Tram anlässlich der EURO 08. 

(Foto: U. Aeschlimann)

Anfang August 2008 ersetzte die Werkstatt sämtliche bisher weissen Anschriften durch orange. Das Tram 84 trug ab dem 23. August 2003 die Wappen von Muri und Gümligen. Anlässlich einer Hauptrevision erhielten die Trams 2008/09 eine vollständig dunkelblaue Lackierung mit weissen Türen. Im Jahr 2010 erfolgte in der Mitte der Fahrzeuge der Einbau einer Niederflur-Sänfte der Firma Stadler. Im Hinblick auf die Übernahme des Trambetriebs durch Bernmobil wurden die Sänften ab Ende September 2010 im Bernmobil-Rot lackiert und von Oktober 2010 bis Februar 2011 nach den Vorgaben von Bernmobil rot beschriftet.

Blau-rot-blau: Mit der Übernahme des Trambetriebs durch Bernmobil kam ab 2010 die Farbe Rot dazu.

(Foto: U. Aeschlimann)

Abschied von einer Ikone

Am 13. Dezember 2024 ist es dann soweit: Die blauen Trams und damit die Farbe Blau verabschieden sich endgültig von der Linie 6 und werden von den modernen roten Tramlink-Fahrzeugen von Bernmobil abgelöst. Damit geht die lange Geschichte des «Blauen Bähnli» auf den Schienen rund um die Stadt Bern zu Ende. Für viele Mitarbeitende und Fahrgäste bleibt es eine unvergessliche Erinnerung.

Ein kleiner Blick zurück: Die Chronik der blauen Trams

  • 1930: Erster Einsatz hellblau-weisser Fahrzeuge auf den VBW-Strecken
  • 1946: Einführung des dunkelblau-weissen Anstrichs
  • 1971: Erste Occasion-Tramwagen mit dunkelblau/weissem Anstrich
  • 1974: Rückzug der Blauen Bähnli von der Linie W, Einsatz der neueren, pendelzugfähigen Fahrzeuge auf der Linie G
  • 1987: Ablösung der alten Blauen Bähnli durch blau/weisse Trams
  • 1988: Einsatz eines blau/weissen Pendelzugs auf der Linie W
  • 1997: Ausrangierung der letzten Blauen Bähnli
  • 2010: Einführung der Niederflur-Sänfte, Umbau im Bernmobil-Rot
  • 2013: Inbetriebnahme des historischen BDe 4/4 36
  • 2024: Ablösung der RBS-Trams durch rote Tramlink von Bernmobil

Mit diesem Rückblick sagen wir «Tschau Blau!» 

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